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Schöne neue Arbeitswelt?

10.05.2021
Mobiles Arbeiten – Ein Selbstversuch

Kaum zu glauben, aber es gab eine Zeit, in der Corona ein exotischer Bierersatz war (natürlich rein subjektiv betrachtet) und eine Maskenpflicht lediglich im karnevalistisch vorbelasteten Süden und Westen der Republik auf Verständnis stieß.
Aber im Frühjahr 2020 hat das Covid-19-Virus alte Realitäten erodieren lassen. Viele über Jahrzehnte liebgewonnene Gewohnheiten wirken heute wie Relikte aus einer anderen Welt. Das Metal-Konzert im „Gruenspan“, bei dem man dicht an dicht mit gut 1000 schwitzenden Artgenossen feierte, erscheint mittlerweile surreal. Zur Begrüßung die Hand schütteln, Freunde umarmen? Vergangenheit. Restaurantbesuche? Theaterabende? Abends mit anderen M+Olern feiern gehen? Vorbei. Der deutsche Michel 2021 bleibt zusammen mit seiner Michaela, seinem Cem oder seiner Anastasia zu Hause und hält Abstand.
Angesichts dieser Verluste drängt sich das Gefühl auf, dass die „Corona-Realität“ ausschließlich negative Folgen hat. Tatsächlich gibt es aber auch positive Entwicklungen, die in der Nach-Corona-Zeit Bestand haben werden. Wir merken, welche Menschen wir vermissen − wer einem also wirklich wichtig ist. Und wer nicht. Der Restaurantbesuch bekommt in der Rückschau eine andere Wertigkeit. Und der erste Friseurbesuch nach wochenlangem Lockdown wird wie der WM-Sieg gefeiert, während wir knietief im abgeschnittenen Haupthaar stehen. Am liebsten würden wir die Friseurinnen und Friseure umarmen und hochleben lassen.
Aber auch im Arbeitsleben gibt es nicht nur negative Impulse. Denn da ist die Sache mit dem mobilen Arbeiten.

Virtuelle Begegnungen

Das Miteinander in einem Planungsteam ist bekanntermaßen das Salz in der Suppe einer guten Planung. Dafür schien es bisher unabdingbar, sich im gleichen Gebäude aufzuhalten. Denn wie soll eine gute Planung gelingen, wenn man kilometerweit voneinander entfernt in den Arbeits- und Gästezimmern der Republik am mobilen Arbeitsplatz sitzt? Die Lösung ist einfach: Per Videokonferenz ist das Gespräch mit den anderen M+Olern von Angesicht zu Angesicht nur einen Klick entfernt. An das virtuelle Treffen mit den Kollegen und Kunden gewöhnt man sich schnell. Der Bildschirm lässt sich sogar teilen, um so den anderen die eigenen Arbeitsergebnisse zu zeigen. Warum also sollten wir vier Stunden im Auto verbringen, um eine einstündige Besprechung wahrzunehmen? Sich stattdessen virtuell abzustimmen, spart Zeit, Nerven und ist sogar gut fürs Öko-Konto.

 

Dos and Don‘ts für Videokonferenzen

Natürlich gibt es auch im virtuellen Miteinander ein paar Verhaltensregeln:

  1. Verwenden Sie sicherheitshalber ein Hintergrundbild. Der Wäscheständer z. B. bietet oft unangenehme private Einblicke. Und auch das „The Walking Dead“-Plakat mag den einen oder anderen zartbesaiteten Teilnehmer verschrecken und kratzt am professionellen Image. Ein Hintergrundbild kann übrigens auch taktisch genutzt werden. Der neue Kunde hat durchblicken lassen, dass er ein echter Mallorca-Fan ist? Da bietet es sich an, ein entsprechendes Bild aus dem Internet herunterzuladen und sich die wichtigsten Informationen zu beschaffen („An der Renovierung der Kathedrale von Palma war ja auch Antoni Gaudí beteiligt, aber das wissen Sie natürlich“). Nicht immer empfehlenswert sind Fotos eigener Urlaubsreisen, da das persönliche Erholungsverhalten nicht immer den Mehrheitsgeschmack trifft („Ja, der mit dem Kopf im Sangria-Eimer bin ich“). Also Obacht!
  2. Vor wichtigen Video-Besprechungen sollte die Familie unbedingt informiert werden. Wie schnell ist man im Büro der „Typ, bei dem die Frau nackt durchs Bild lief“? So was wirkt dann lange nach. Und natürlich ist es verständlich, dass die lieben Kleinen unbedingt mal gucken wollen, was Papa so arbeitet. Aber die Information, dass der kleine Torben-Hendrik „ganz toll Kaka gemacht hat und jetzt spielen geht“, findet in Videokonferenzen oft nur mäßiges Interesse. Und auch wenn die Frage der kleinen Laura, „ob die dicke Tante da auf dem Bildschirm die ist, die Papa keine Gehaltserhöhung geben will“, berechtigt sein mag, kann sie sich doch nachhaltig negativ auf den Büroalltag auswirken.
  3. Auch sollte beim mobilen Arbeiten Wert auf einen Mindeststandard in puncto Bekleidung und Hygiene gelegt werden. Natürlich kann niemand sehen, dass man das Jackett, das Hemd und die Krawatte mit einer Jogginghose kombiniert hat. Egal, welche Meinung der Herr Lagerfeld dazu hatte. Aber es trägt zur Selbstachtung bei, vernünftig angezogen und rasiert zu sein. Auch die Haare, nach Wochen ohne professionelle Zuwendung oft in einem desolaten Zustand, sollten in Form gebracht werden (dieser Punkt kann von allen ignoriert werden, die einen führenden Posten in der britischen Regierung innehaben).

Werden diese Verhaltensregeln beachtet, funktioniert das mobile Arbeiten ganz famos. Man muss der Familie nur das Paradoxon erklären, dass man obwohl zu Hause eigentlich im Büro ist − dass man also da ist, aber gleichzeitig nicht da (lesen Sie das gerne zweimal. Irgendwann ergibt der Satz Sinn.).

 

Und das Zwischenmenschliche?

Der große Vorteil am mobilen Arbeiten ist, dass wir ungestört konzentriert arbeiten können und niemand ins Büro kommt, um mal kurz zu klönen. Der große Nachteil besteht darin, dass niemand ins Büro kommt, um mal kurz zu klönen. Die sozialen Kontakte zwischen den M+Olern leiden erheblich, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden wie etwa ein täglicher kurzer virtueller Morgenkreis, den ein Gruppenleiter eingeführt hat. Hier wird hauptsächlich über Berufliches, aber auch über Privates gesprochen und der Teamgedanke gepflegt (Devise: Was im Morgenkreis passiert, bleibt im Morgenkreis).
Und dann gibt es natürlich auch die Bedenken, dass mobiles Arbeiten dazu verführt, den Tag mit der Zeitung und Kaffee auf dem Sofa zu verbringen. So eine Arbeitseinstellung fällt aber spätestens auf, wenn die Projekte liegen bleiben und sich Abgaben verzögern.

 

Ein Zwischenfazit

Nach gut vier Monaten des wöchentlichen Wechselns zwischen Büro und heimischem Arbeitsplatz ziehe ich ein eindeutig positives Resümee und spreche mich klar für mobiles Arbeiten aus. Obwohl ich mir wünsche, die M+Oler wieder täglich live und in Farbe zu sehen.
Auch für die Zeit nach Corona ist das Arbeiten von zu Hause eine Alternative zur täglichen Fahrt ins Büro. Und sei es nur, um weniger Zeit auf der Autobahn zu verbringen und auf diese Weise die eigene Öko-Bilanz aufzupolieren.
Aber bis dahin gilt es, unbeschadet von Corona-Welle zu Corona-Welle zu surfen und die Pandemie endlich hinter uns zu bringen.

In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund und verlieren Sie die gute Laune nicht!

Mobiles Arbeiten 05 2022